Geschichte der Küstenfunkstelle Scheveningen Radio (Teil 4) |
Wirtschaftlicher Nutzen von
"Scheveningen Radio" Das Wasser fließt. Ob auf weite Strecken, zu den majestätischen Fjorden im hohen Norden, zu einem sehr fernen Strand mit schäumender Brandung; Wehende Palmen zeichnen sich vor dem stahlblauen Himmel ab, nach niedlichen kleinen Ortschaften an der Südküste von . . . . Es sind die schönen Beschreibungen der zahlreichen Prospekte der Reisegesellschaften. Dieses gibt es allemal und eine Reise ist schnell gebucht. Das Wasser fließt, das Abenteuer kommt entgegen! Das Wasser fließt: In der Dunkelheit der Nacht. Flecken nassen Schnees kleben auf dem glitschigen Deck. Die Luken müssen extra festgemacht und abgedeckt werden. Die schwere Persenning ist kaum zu bewegen mit den klammen Händen. Graue Wolkenschleier verdunkeln die fahle Mondsichel. "Sturmfest zurren" hat der Bootsmann gesagt, die armdicken Manillatrossen einholen. "Schwere See" sagte der Funkoffizier dem wachhabenden Steuermann, nachdem er den Wetterbericht aufgenommen hatte. Langsam verschwinden die Konturen des Hafens. Das Frachtschiff ist unterwegs nach Pernambuco. Fracht: Container, Holz, Stückgut, Getreide, Öl; Handelsgüter, der Motor der Wirtschaft. Vor hundert Jahren schwärmte die holländische Handelsflotte in alle Himmelsrichtungen aus, auf alle Weltmeere, zu Bestimmungsorten deren Aussprache zungenbrecherisch waren. Zu jener Zeit, der Blütezeit der niederländischen Seefahrt, war es normal, das die Schiffe manchmal monatelang unterwegs waren, bevor sie wieder Land zu Gesicht bekamen. Einen fernen Hafen anlaufen, Wasser zu nehmen und Fracht zu laden, um diese mitzunehmen. Später, als die Dampfschiffe begannen die See zu erobern, mußten Kohlen gebunkert werden. Zuweilen lag in so einem Bunkerhafen auch ein Bericht für den Kapitän vor. "Neuer Fahrplan, nach . . . um eine Ladung Stückgut an Bord zu nehmen, die für . . . bestimmt ist." Dann fuhr das Schiff, denn Fracht war das Lebenselexier der Handelsfahrt. So ist das noch immer, allein: . . . heute nur ein bißchen anders. Das Schiff auf See, bleibt in Kontakt mit dem Land. Der Reeder und das Befrachtungskontor können über Funk den Kapitän erreichen und ihn anweisen, dahin und dorthin zu fahren. Beinahe zeitgleich wie die Frachtgeschäfte im Büro ankommen. Zuweilen geschieht dieses mit einem Funktelegramm oder direkt per Funkgespräch. Direkt bedeutet: der Befrachter kann mit dem Ladungsoffizier persönlich in Kontakt treten und Erfahrungen austauschen. Aber immer sitzt ein Kettenglied zwischen Land und Schiff, "Scheveningen Radio". Da wird die Verbindung gelegt. Da wird dafür gesorgt, daß der Rotterdamer Reeder sein Schiff in den japanischen Gewässern zu fassen bekommt, um dem Kapitän zu informieren, daß das Schiff eine extra Fracht holen muß. Ob er so freundlich sein könnte, gleich dahin zu fahren? Dieses kostet einen halben Tag aber er spart unter Umständen eine ganze Woche. Der wirtschaftliche Nutzen von "Scheveningen Radio" soll hiermit bewiesen sein, aber es gibt noch mehr. Der Ladungsoffizier informiert die Reederei regelmäßig über alles, was sich an Bord abspielt, per Brief und per Funk. Das kann für die Navigation und für die Ladung Bedeutung haben, für Passagiere oder belastungstechnische Daten für die Einklarierung der Güter. Es kann aber auch um einen Defekt der Schiffsmotoren gehen. Die Reederei kann dann dafür sorgen, daß das Ersatzteil bestellt und zum nächstmöglichen Hafen geliefert wird. Das spart der Reederei Liegezeiten im Hafen, denn das Schiff muß nicht auf das Ersatzteil warten, das liegt schon im Hafen bereit. Dieses Beispiel umfaßt nicht alleine den Funkverkehr vom Schiff zum Reeder sondern auch die telegrafische Bestellung an das nächste Depot der Maschinenfabrik, Bestätigung der Bestellung etc. "Scheveningen Radio" gibt mit der Ablieferung des ersten Telegramms den Startschuß zu noch mehr Verkehr. Es kann sogar vorkommen, daß speziell wichtige Ersatzteile per Helikopter an Bord gebracht werden müssen. Das ist dann ein weiteres Glied in der wirtschaftlichen Kette. Zu bestimmten Zeiten sendet die Küstenfunkstelle die sogenannten "Trafficlisten", die "an Alle" gerichtet sind. Diese Listen bestehen aus den Rufzeichen der Schiffe, für die "Scheveningen Radio" Meldungen hat, wie Telegramme oder Gespräche. Die Namen der Schiffe, ob niederländische oder ausländische Reedereien, werden im Computer nachgeschlagen. Der gleiche Computer fertigt auch das Stanzband an, das mit Hilfe eines automatischen Senders gesendet werden kann. Der Telegrafist mit der Morsetaste braucht sich darum keine Sorgen zu machen, und kann seine kostbare Zeit zu etwas anderem verwenden. Die Bequemlichkeit dient dem Menschen wie auch der Maschine. Wenn ein Funkoffizier an Bord das Rufzeichen seines Schiffes im "Sammelanruf" hört, weiß er, daß TFC (traffic) für ihn vorliegt. Sobald die "Verkehrsliste" zu Ende ist, zeitweise sogar früher auf einer anderen Frequenz, beginnen die verschiedenen Schiffe mit dem Anruf an PCH. Herrscht viel Funkverkehr, muß zeitweise sogar mit Wartelisten gearbeitet werden. Die dringenden Telegramme sind dann alle weg. Sie haben den Dienstvermerk "URGENT" oberhalb der Adresse und kosten mehr als ein gewöhnliches Telegramm. Die Extrakosten können in bestimmten Fällen doppelt und dreifach wieder herauskommen. Der Frachter, der ein neues Ersatzteil für den Schiffsmotor mit einem "URGENT"-Telegramm bestellt hat, weiß wohl warum. Ort: 500 Meilen südöstlich von Island, "Scheveningen Radio", "Scheveningen Radio", hier ist SCH 81, over". Ein Fischer ruft die Küstenfunkstelle und bittet um eine Verbindung mit seiner Reederei. "Scheveningen Radio" antwortet, eine Mädchenstimme auf dem Radiotelefonieband. "SCH 81, hier ist "Scheveningen Radio", ich verbinde Sie, Sprechen Sie!" Fangquoten gehen durch die Luft, werden eifrigst notiert, anschließend wird noch gefragt "ob alles klar ist an Bord". Die Reederei weiß, daß in ein oder mehreren Tagen ein Trawler einläuft und was er für Ladung an Bord hat. Wirtschaftliche Daten. Versorgungsschiffe auf dem Rückweg von einer Bohrinsel bei Brentveld suchen Kontakt. Sie geben einstweilen Bestellungen durch. Zeit ist Geld, Wirtschaftlichkeit in einer anderen Bedeutung. Das Anrufsignal eines Rheinschiffes ertönt auf dem Marifon-Kanal 26. Auf Kanal 25 erfragt der Kapitän eines Öltankers auf dem holländischen Ijsselsmeer die Wetteraussichten. Vielleicht will er sich davonmachen, bevor er im Nebel festsitzt. Ein bißchen schneller drehen in der Maschine wirkt oft Wunder. Das TOR rasselt auf einmal. Fehlerlos erscheinen Buchstaben auf dem Papier; doch dieses ist kein normaler Text. Ein Codetelegramm von einem Passagierschiff, die Mitteilung eines Geschäftsmannes an sein Büro, kommt an. Gruppen von fünf Buchstaben, "Abrakadabra" für die Nichteingeweihten. Vielleicht steigen eine Stunde später die Anteile eines Handelsunternehmens um einige Punkte. "Scheveningen Radio" ein wirtschaftlicher Nutzen? Der Zusammenhang liegt auf der Hand! |
Herzlichen Glückwunsch! Es gibt viele verschiedene Dienstleistungen der Reichsküstenfunkstation "Scheveningen Radio". Nicht belanglos davon ist das Menschliche. Das beweist das enge Band das seit längerem zwischen den Schiffen und PCH besteht. Es kommt auch häufig vor, daß in Ijmuiden Ansichtskarten aus aller Welt ankommen, mit Grüßen der Seeleute eines Schiffes, das wieder einmal von "Scheveningen Radio" bedient wurde. Eine Blume oder eine Torte gehören da schon zu den Ausnahmen. Diese herzliche Verbindung besteht auch in einem anderen Zusammenhang. Dabei ist PCH allein der Überbringer der Wünsche. Bei Geburtstagen, Jubiläen oder anderen Feierlichkeiten im Leben ist es ein beliebter Brauch, jemandem Glück zu wünschen. Für die Seeleute auf einem Schiff, das zu so einem Festtag mitten auf dem Atlantischen oder Pazifischen Ozean fährt, ersetzt das Glückwunschtelegramm die Glückwunschkarte. Wenn das Schiff mit Funktelefonie ausgerüstet ist, können auch persönliche Gespräche geführt werden. Unter tropischem Sternenhimmel die vertraute Stimme seiner Frau oder Verlobten, Kind oder Freundin zu hören, ist wie ein "Feiertag" für das Herz, das Tausende von Meilen von Zuhause entfernt ist. "Navigare necesse est" Seefahrt tut Not - sagt ein alter lateinischer Spruch. Als kleine Variante sollte man sagen können "Kommunikation, ein Gespräch, ist notwendig". Es schafft eine vertraute Verbindung zwischen den Daheimgebliebenen und den Fahrenden. Bei "Scheveningen Radio" steigt die Tätigkeit während der dunkleren holländischen Tage rund um die Weihnachts- und Neujahrszeit besonders an. Nicht alleine von Land, sondern auch von See kommen die Anmeldungen. Um es den Radiotelegrafisten und den Menschen bei PCH nicht unnötig schwer zu machen, gibt es verschiedene Buchstabencode für Texte dieser Sorte von Telegrammen, die schnell verschickt sind. Doch ist es oft der Fall, das ein persönlicher Text vom Bootsmann, Kapitän, Heizer, Matrosen oder Maschinisten Vorrang hat, "Fröhliche Feiertage und ein glückliches Neues Jahr" oder "Merry Christmas, happy New Year", wird meistens durch "Liebe Mutter, lieber Vater, Euer Sohn Willem wünscht Euch fröhliche Feiertage und viel Glück und Gesundheit im Neuen Jahr" oder "Aus meiner einsamen Kajüte wünsche ich ein recht glückliches Jahr und ich hoffe bald wieder bei Euch zu sein" ersetzt. Natürlich bleiben die Passagiere nicht zurück und verschicken Telegramme wie "Herzlichen Glückwunsch zum bestandenen Examen, Dein Vater ist stolz auf Dich". Die meisten PCH-er haben zuviel zu tun um die einzelnen Berichte zu lesen. Aber die rein menschliche Seite der Kommunikation ist ihnen nicht fremd. Außer einem Telegramm, oder einem Funkgespräch, besteht auch die Möglichkeit, Glückwünsche in besonderer Art zu verschicken, damit die Festfreuden Zuhause durch den stofflichen Beweis erhöht werden. Das ist ein Dienst in Zusammenarbeit mit Radio Holland, die dann zum Freudentag dafür sorgt, daß ein Blumenstrauß oder eine Pflanze zugestellt wird. Häufig erfüllen ein paar wohlgemeinte Worte die Wünsche: in diesem Fall auf einem Telegrammformular. Auch ohne festliche Anleitung . . . |
Meldungen am "laufenden Band"
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UKW(Marifonie) wird für den Nahbereich verwendet |
Die Frau hat das Wort Niemand kann eigentlich genau sagen, wie es gekommen ist, aber bei "Scheveningen Radio" ist die Funktelefonie - und seit einiger Zeit auch der UKW-Sprechfunkdienst - eine Sache der Damen. Vielleicht findet dieses Phänomen seinen Ursprung in der "Guten Alten Zeit", der Anfangsperiode der normalen Telefonie. Damals waren es "Damen", die mit flinken Fingern ihre Abonnenten mit der heute beinahe antiken Wählscheibe anriefen, wenn sie von den Telefonisten bei der Telefonzentrale das "OK" für die Verbindung bekommen hatten. Die Reihen der Telefonistinnen in so einer Telefonzentrale sind inzwischen durch kühle, nüchterne, häufig elektronische Telefonzentralen ersetzt worden. Effizienz ist das Zauberwort dieses Vorgangs Vielleicht zurecht, aber die "heldere meisjesstem" bei PCH wird von vielen Seeleuten vermißt. Wird das die Ursache sein? |
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